Zeitzeugenberichte
Ausgangspunkt für ZWEI-LAND – Mehr Demokratie tragen! waren Treffen mit Zeitzeugen: In Interviews und Erzählcafés in Schulklassen, berichteten sie vom Mauerbau, vom Leben in und zwischen der DDR und der BRD, vom Mauerfall und von ihrem aktuellen Alltag – Ängste, Hoffnungen, Wünsche, Alltägliches wechselten sich ab. Jugendliche und junge Erwachsene aus Schulen, Initiativen und Freizeiteinrichtungen kommentierten, ergänzten mit ihren Alltagserfahrungen, formulierten ihrerseits Ängste, Forderungen und Wünsche.
Dieses Projektarchiv enthält eine Auswahl aus über 300 Aufnahmen, teils kombiniert mit historischen O-Tönen und Musik. Mit dem Scroll-Balken erreichen Sie alle Dateien.
Für Felix hat Demokratie keinen besonderen Wert.
Siglinde Neff ging in den 50er-Jahren in Ostberlin zur Schule. Zu ihrer Klasse gehörte auch die Tochter eines Offiziers der Staatssicherheit. „Die hatte keine Freunde. Wir haben sie gemieden.“
Ingrid Taegner ist waschechte Berlinerin. Omas, Opas und Verwandte leben seit Generationen überall in der Stadt. Als die Mauer gebaut wurde arbeitete ihr Vater gerade auf der anderen Seite.
Jeder taugliche männliche Bürger der DDR musste Militärdienst leisten, 18 Monate lang. Wer keine Waffe in die Hand nehmen wollte, konnte Bausoldat werden, so wie Georg Böhm. Das Erkennungszeichen der Bausoldaten war ein Spaten auf der Schulterklappe der Uniform.
Machtlos musste der damaligen Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht sich anhören, wie in den 60er-Jahren die Beatles aus dem Westen auch den Osten überrollten. Eva-Maria Täubert studierte damals Musikwissenschaften in Ostberlin.
Der 12. Juni wurde in der DDR als Tag des Lehrers gefeiert. „Verdiente Lehrer des Volkes“ erhielten Medaillen, als Anerkennung für ihre „Klugheit, Liebe und Umsicht, mit der sie die Jugend auf ein Leben im Sozialismus vorbereiteten“. Die 13-jährige Juliane Stückrad hatte vor ihrem Direktor Angst.
In 20 Minuten hätte Familie Nitsch von Bad Salzungen aus bis zur Grenze nach Westdeutschland fahren können. Drüben lebten Verwandte. Eine Erlaubnis zum Besuch der Westverwandtschaft erhielten sie von der DDR-Behörde erst zur Beerdigung der Tante.
Herr und Frau Inwinkl wohnten im damaligen Westberlin. Immer wieder fuhren sie mit dem Auto auf der Transit-Autobahn durch die DDR. Einmal vergaßen sie an einem Vorposten einer Grenzkontrollstelle anzuhalten.
Als 17-jähriger lebte Georg Böhm in der Nähe von Eisenach und schwärmte für die amerikanische Rockgruppe „Frijid Pink“, die er im unerlaubten Westradio hörte.
Wenn Ingrid Taegner Bekannte besuchte, wurde auch über systemkritsiche Literatur gesprochen – dass die Staatssicherheit mithörte, erfuhr sie erst bei einem Verhör.
In der DDR begann die Wehrerziehung bereits im Kindesalter: Kindergärten besuchten Kasernen. Grundschüler spielten Geländespiele, die Manövern ähnelten. In der Oberstufe wurde Weitwurf mit Handgranatenattrappen geübt.
Als Ulrike Quentel 1983 die Gruppe „Frauen für den Frieden“ in Eisenach mit begründete, war sie 22 Jahre alt, junge Mutter und wollte ihre Kinder zum Frieden erziehen. Ihre Motive zur Gründung der Frauengruppe reichen bis in ihre eigene Kindheit zurück.
Mit Gorbatschow begann für Frau Heilemann-Klemm die Wendezeit in der DDR. Als Russischlehrerin versuchte sie Glasnost und Perestroika in die Schule zu bringen, diskutierte im Unterricht mit ihren Schülerinnen und Schülern und an den Elternabenden mit deren Eltern. Zwei Wochen lang …
Dieter Gasde lebt in Eisenach und ist Musiker von Beruf: Querflöte, Saxophon, Mundharmonica. Bis heute ist der Blues seine Leidenschaft. Ende der 80er-Jahre erhielt er von den DDR-Behörden die Erlaubnis für besondere Anlässe auch in das „nichtsozialistischen Ausland“ zu reisen. Als 1987 B.B.King in Westberlin auftrat, beantragte Dieter Gasde seine erste Reiseerlaubnis, mit der kessen Begründung, sich durch das Blues-Konzert des Weltstars für eigene Auftritte in der DDR „fortbilden“ zu wollen. Zur eigenen Überraschung wurde die Reise genehmigt.
Aus Protest trat Ellen Nitsch 1970 in die Blockpartei LDPD ein. Aus Protest trat sie 1989 wieder aus.
1989 war René Morgenstern acht Jahre alt und begeisterter Jungpionier. Noch mehr freute er sich auf seine bevorstehende Aufnahme bei den Thälmannpionieren und auf sein rotes Halstuch, das er dann als Erkennungszeichen tragen würde. In der vierten Klasse sollte es endlich soweit sein…
Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war für Irm Schulz auch ein Stück Heimat verschwunden.
Ausgerüstet mit Hammer und Meißel brachen Mauerspechte Stück für Stück aus der Berliner Mauer – aus Freude, aus Wut, zur Erinnerung, zum Verkauf an Touristen. Die Gründe waren Ilka Inwinkl egal.
Der Trabi war noch neu. 15 Jahre hatte Familie Nitsch auf die Auslieferung gewartet. Wenige Tage nach der Maueröffnung fuhren sie mit ihrem Auto nach Fulda.
Bananen, Kiwis, Nutella – mit dem ersten Westgeld schien alles im Übermaß greifbar.
Wir wollten das Westgeld und wünschten uns Westautos, erinnert sich Barbara Otto.
Von 1971 bis 2006 war Klaus-Dieter Pohl Richter am Arbeitsgericht in Berlin. Negativ überrascht hat ihn das Erstarken der rechten Gruppierungen nach dem Fall der Mauer.
Neue Mauern für dunkle Haut.
Nach wie vor sind Jüdinnen und Juden in ihrer Freiheit begrenzt.
Lesben und Schwule leben mitten unter uns – und doch weit weg.
Es wächst zusammen, was zusammen gehört, dachte Klaus-Dieter Pohl genauso wie Willy Brandt – als 1989 die Mauer fiel und noch Jahre danach …
Ihr grauer Pullover begleitete Juliane als Teenager durch die Montagsdemonstrationen, wurde ihr Symbol für die revolutionäre Euphorie jenes Herbstes. Im Frühjahr 2012 brauchte sie ihren grauen Pullover erneut, wieder in Eisenach.
In der DDR gab es die Partei und die hatte immer Recht. Heute haben wir Demokratie. Und nun?
Anne wünscht sich mehr mutige Menschen.